Freitag bis Montag 08.07. - 11.07.2022
BiH, Nezuk, Srebrenica, Potocari
Mars Mira 2022
Für Salko.
3 Tage Marsch ca. 102km
1 Tag Gedenken und Beisetzungen
Anreise
Ca. 1.300km. Gemütlich in zwei Tagen gefahren. Erster Tag bis fast Österreich durchquert und auf dem letzten Rastplatz übernachtet. Zweiter Tag durch Slowenien und Kroatien und nen bissel in Bosnien zum Ziel gefahren. Wie immer problemlos, einfache Strecke, immer gute Autobahn, außer in Bosnien, da dann Landstraße, aber weitestgehend auch gut.
Vorabend
In Nezuk am Startplatz nen Stellplatz gehabt und den Abend entspannt. Noch nen kurzen Spaziergang mit Enni nach der langen Fahrt. Nen großen, schweren Rucksack gepackt mit Zelt und allem für vier Tage. Dann war schon klar, das es Salko zumindest bist morgen früh zum Start nicht her schafft. Und wie der Anfang ja schon sagte, hat er es leider gar nicht geschafft. So sind wir allein gelaufen. Dadurch habe ich das Angebot bekommen, das Auto täglich von Start nach Ziel befördert zu bekommen. Was ein Luxus. Daher schreibe ich grad (Abend des ersten Tages) auch entspannt auf meinem „Sofa“. Also doch nur leichtes Gepäck beim Wandern und in der eigenen Bude pennen. Mega!!!
08.07.2022
1.Tag
Start: 08:30 Uhr in Nezuk
Ankunft: 15:15 Uhr in Liplje
Strecke: 35km
Streckenverlauf: Rauf und runter in schöner Landschaft.
Laufstrategie: Gestartet sind wir eher ganz hinten, sind dann aber mehr in der Masse gelandet und haben uns dann nach vorne orientiert und sind vorne weg gelaufen - war dann einfacher mit Enni, da sie mit Zuggeschirr nur eine Richtung und ein Tempo kennt. Aber sie hat es ob der Umstände und Situation super gemacht.
Wetter: Anfangs war es leicht nieselich, dann bewölkt aber trocken und nach hinten raus blauer Himmel und Sonne.
Enni ist der erste Hund, der den Marsch mitmacht. Dadurch und ob ihrer Rasse ist sie ne Attraktion. Klappt aber alles gut. Im Mittelpunkt steh ich mit ihr eh immer, besonders beim Ungeduldigkeitsbellen. Sie orientiert sich aber gut an mir, trotz Animationsversuchen von anderen. Zwei, drei mal hatte sie ihre Übersprungshandlung, aber war auch alles sehr viel. Hundegebell aushalten konnten wir super trainieren und auch mal ne Pause machen, okay, war auch nur eine richtige, aber immerhin. Eine mehr wie sonst. Und das beste zum Schluss. Als wir auf den Autoschlüssel gewartet haben, haben wir uns bei blauem Himmel und Sonne auf die Wiese gelegt und nach anfänglichen Entspannungsschwierigkeiten hat sich Enni an mich gerobbt und in meinem Arm geschlafen. Hat sie so noch nie gemacht. *Heul* Zwei mal wusste man unterwegs schon von uns als wir vorbeigekommen sind. Wir hatten uns schnell rumgesprochen.
Alle sind sehr herzlich und freundlich wie immer bisher in Bosnien. Heute Abend grad noch mit meinen „Betreuern“ (Alen und seiner Familie) im Camp was gegessen. Wie immer einfach aber sehr lecker. Und wieder mehr über die ganzen Geschehnisse in 1995 erfahren.
Wieder hat sich gezeigt, Bosnien ist landschaftlich wunderschön, aber ÜBERALL liegt Müll rum. Sehr schade.
09.07.2022
2. Tag
Start: 09:00 Uhr in Liplje
Ankunft: 16:30 Uhr in Kamp, Druga noć, Pobuđe
Strecke: 32km
Streckenverlauf: Rauf und runter, mit einem richtig krassen Anstieg.
Laufstrategie: Heute sind wir mit großem Abstand als Letzte gestartet. Nach dem ersten Berg bei der ersten großen Pausenstation hatten wir die Masse aber schon wieder eingeholt.
Wir haben dann kurz danach Pause beim Haus meiner „Betreuer“ gemacht, mind. 1,5 Std. So sind wir an der Brücke und der dortigen Zwangspause der Masse zum Ende der Pause angekommen und durften dann um 13:00 Uhr vor dem Banner die weitere Strecke wieder vorneweg fortsetzen.
Wetter: Nachts und früh morgens hatte es geregnet, aber mit Beginn des Marsches war es trocken und zum Abend hin wieder sonnig.
Es gab wieder viele kurze und längere Gespräche, natürlich wegen Enni, aber auch weil ich aus Deutschland bin, einige die Danke sagen, das ich teilnehme. Gegen Ende der heutigen Strecke kam bei mir so das erstmal Bedrücktheit auf. Sicherlich der Erschöpfung und Anstrengung und der Freude die Etappe bald geschafft zu haben, geschuldet. Aber auch durch die Gespräche und das Erleben der teilnehmenden Menschen, die ganzen Infos die ich bekomme. Vorher war das ganze Geschehen von damals gar nicht präsent für mich. Und auch gestern war es halt eine Wanderung. Aber mittlerweile merke ich, wie wichtig dieser „Friedensmarsch“ für die Menschen ist und welche Größenordnung dieser auch hat. Und was für Grausamkeiten passiert sind, die keine 30 Jahre her sind. Der Anstieg nach der Brücke hatte es in sich. Und ich war von den Bodenverhältnissen noch gut dran, da ich vorneweg bin. Jetzt heute Abend heißt es nur noch Füße hochlegen. Es hat heute doch ein paar Blasen gegeben (neue, harte Schuhe). Und die Schultern spüre ich, weil Rucksack nicht gewohnt. Werde versuchen ihn morgen so leicht wie möglich zu halten. Noch mehr essen und Energie tanken für die letzte Etappe. Das werden nochmal 35km. Das macht dann 102km in drei Tagen. Enni geht die ganze zeit am Zuggeschirr voran, hoch wie runter. Anfangs sind wie zwischenzeitlich immer mal gerannt. Pausen sind für sie überflüßig. Am Ende hab ich sie von der Leine gelassen, da ist sie ihr Tempo und etwas langsamer gegangen, hat immer wieder auf mich gewartet und ich konnte halbwegs entspannt Berg ab laufen. Am Ende ging es dann noch auf einer befahrenen Straße entlang, da ist sie super an kurzer Leine neben mir gelaufen. Wie gestern konnte sie es auch heute nicht lassen, mir noch gegen Ende den Mittelfinger zu zeigen, in dem sie dann noch nen Stück Holz im Maul getragen hat. Als ob alles nicht anstrengend genug war. Morgen geht es schon zeitig um 07:00 Uhr los. Nach Potocari. Dort trifft der Marsch als erstes, aber zusammen mit einem Marsch von der anderen Seite, einem Motorrad-Korso, Fahrradfahrern und Marathonläufern ein. Ich bin gespannt was mich erwartet, auch emotional.
10.07.2022
3. Tag
Start: 7:00 Uhr in Kamp, Druga noć, Pobuđe
Ankunft: 13:50 in Potocari
Strecke: 35km
Streckenverlauf: Es hieß der 2. Tag sollte wohl der schwerste sein … NEIN … es war der heutige dritte. Rauf und runter ist ja klar, aber diesmal mehrmals sehr krass. Teilweise wurden Sicherheitsseile gespannt. Es ging viel auf kleinen Pfaden, wenn sie als solche überhaupt erkennbar waren und durch die Wälder.
Wetter: Ganztägig bester Sonne-Wolken-Mix. Es war wärmer als die Tage zuvor.
Heute hatten wir wetterbedingt nur sehr leichtes Gepäck und auch schuhtechnisch kamen die leichten Halbschuhe zum Einsatz. Wir sind heute wieder vorne weg gelaufen. Anfangs teilweise wieder gerannt. Enni macht die Pace. Gestört. ADHS Hund auf Duracell und denkt mit dem Zuggeschirr sie ist ein Husky. Es gibt nur eine Richtung und ein Tempo, nach vorne und das schnell. Später als ich nicht mehr konnte, hab ich sie von der Leine genommen, damit ich entspannt Berg ab laufen kann (denn selbst da zieht sie) und siehe da, läuft nen bissel vor und wartet und schaut nach mir. Heute haben wir wirklich jede Verpflegungsstation genutzt. Enni konnte auch hier und da tatsächlich mal nen bissel durch schnaufen. Viel trinken war wichtig. Es gab wieder einige Begegnungen und Gespräche und Wiedersehen von den vorherigen Tagen. In Potocari sind wir dann genau am Friedhof rausgekommen. Erst sieht man nur einige der über 6.000 gleichen weißen Steine. Und dann eröffnet sich Stück für Stück die ganze Größe. Angesichts der grausamen Umstände ist es irgendwie weniger ein Friedhof als ein Gräberfeld. Es verschlägt einem die Sprache. Die Geschichte sollte jeder selber recherchieren, wenn er sie noch nicht kennt. Am Abend kamen dann die Kolonne des Mars Mira (Friedensmarsch) an, plus Marathonläufer, Fahrradfahrer, Motorradkorso, Quadfahrer, eine kleinere Kolonne eines Marsches von der anderen Seite her. Die Kolonne des Mars Mira ist aber das Wichtigste. Denn es ist die Strecke in umgekehrter Richtung des „Todesmarschs“ von damals. Als Sie vorbeikam war Totenstille. In einer Halle auf dem ehemaligen UN-Gelände waren 50 Särge aufgereiht, welche morgen am 11.07.2022 beigesetzt werden. Diese wurden dann am Abend noch dem muslimischen Glauben nach auf Händen gegenüber auf den Friedhof getragen, für die letzte Ruhe vor der Beisetzung.
11.07.2022
4. Tag
Strecke: ein paar Meter in Potocari
Streckenverlauf: flach
Wetter: Bestes Wetter, blauer Himmel und strahlender Sonnenschein, ein paar Wolken.
Es ist sieben Uhr und schon einiges los. Es werden heute mehrere 10tausend Menschen erwartet. Ab 11:00 Uhr geht es mit dem offiziellen politischen Programm los. 13:00 Uhr wird es dann ein Gebet und die Beisetzungen geben und dann ist gegen 14:00 Uhr auch schon wieder alles vorbei.
Es ist 18:00 Uhr. Seit vier Stunden ist alles vorbei und ich warte noch immer, dass der abfließende Verkehr weniger wird.
Es waren mehrere 10tausend Menschen da, für eine Stunden in der was passiert ist. Das zeigt, welche Wichtigkeit dieser Tag hat und auch wieviel Leid die Menschen teilweise noch verspüren.
Wenn dann der Verkehr weniger wird, werde ich mich auf den Heimweg machen und damit ist dann das Abenteuer „Mars Mira 2022“ zu Ende.
Fazit.
Danke an Alen und deine Familie und an Ahman.
Ich bin froh, das ich den Mars Mira 2022 gelaufen bin.
Der Marsch ist nichts für ungeübte oder man hat einen enormen emotionalen Antrieb. Wegen der Anstrengung ist das Teilnehmerfeld auch eher männerlastig. Ich habe einen riesen Respekt vor den Älteren und Alten, die diese Anstrengung auf sich nehmen um die Erinnerung und das Gedenken am Leben zu halten. Was auch zeigt, wieviel Emotion in diesem Marsch steckt.
Viele Gruppen haben quasi (wie ich glücklicherweise auch hatte) eine Logistik, die dann Rucksäcke, Zelte, etc. jeden Tag von Start nach Ziel bringt. Es gibt immer ein großes Lager. Abends ist dann auch noch Programm, eine Mischung aus Folklore und Redebeiträgen. Es gibt einfache Essenstände, wo man sich was zu essen kaufen kann. Ein Rot-Kreuz-Zelt für Blessuren, die Feuerwehr macht die Dusche. Das Militär ist mit dabei und Polizei (auch unterwegs immer wieder präsent). Unterwegs gibt es Verpflegungsstellen von Ländern, Organisationen und der gleichen, aber auch bei Häusern am Wegrand von den Bewohnern, die den Marsch damit unterstützen. Jeder Teilnehmer mehr ist willkommen, egal warum und woher und er darf gerne durch Flagge zeigen woher er kommt. Der Marsch hat mittlerweile eine Größe erreicht, wo er nicht mehr wegzudenken und wegzubekommen ist und das ist auch gut so. Es war physisch und psychisch anstrengend, weil sehr emotional. Es ist schade, dass in der deutschen Medienlandschaft zu wenig über die Tage berichtet wird.
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Erwähnte Markennamen sind nur der Vollständigkeit und unbezahlte Werbung. Deshalb verlinke ich auch nichts. Ihr seid ja alle schlau und könnt euch die Dinge dann selbst im Netz suchen.
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